Die wechselhafte Reformationsgeschichte - evki-saulheim.de

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Historischer Teil
Das Bestreben der pfälzischen Kurfürsten, über den unter ganerbschaftlicher Herrschaft stehenden Ort Nieder-Saulheim die Oberhoheit zu erlangen oder zumindest die Macht auch hier geltend zu machen, ist die Ursache einer selten wechselhaften Reformationsgeschichte. Gerade die Bemühungen der einzelnen Kurfürsten, ihr jeweiliges Bekenntnis in ihrem Einflussbereich einzuführen, stießen oft auf den Widerstand andersgläubiger Ganerben, was einen häufigen Wechsel der Konfession der Bevölkerung oder wenigstens eine Umbesetzung der Pfarrstelle mit sich brachte. Ma verfuhr nach dem Grundsatz „cuius regio eius regio“ (Wessen Land, dessen Religion), wie man es im Augsburger Religionsfrieden von 1555 festgelegt hatte.
Die Einführung der Reformation in Nieder-Saulheim lässt sich nicht genau datieren. Eine Urkunde aus dem Jahr 1557 berichtet über die erfolgte Ablieferung des Kirchengeldes der Orte Nieder-Saulheim, Udenheim, Schornsheim, Stadecken und Partenheim, woraus schließen lässt, das diese reichsritterlichen Besitzungen noch zur katholischen Kirche gehörten. Trotzdem kann man annehmen, dass das lutherische Bekenntnis noch zur Regierungszeit des Pfälzischen Kurfürsten Ottheinrich (1556-1559) eingeführt wurde. Ottheinrich hatte schon zu Beginn seiner Amtszeit in den pfälzischen Territorien eine lutherische Kirchenordnung eingeführt. Unter dem Einfluss des kurpfälzischen Burgvogtes von Alzey, Friedrich von Flersheim, der gleichzeitig an der Ganerbschaft Nieder-Saulheim beteiligt und ein begeisterter Lutheraner war, dürfte Nieder-Saulheim sich dem lutherischen Bekenntnis zugewandt haben.
Da seit dem Augsburger Religionsfrieden die Konfessionszugehörigkeit der Bevölkerung in die Hand des Landesfürsten gelegt war, folgten mit dem Wechsel der Kurfürsten weitere Konfessionsänderungen in Kurpfalz und in Nieder-Saulheim. Nach Ottheinrichs Tod wurde sein Sohn Friedrich III. (1559-1576) Kurfürst. Er entließ den geistigen Führer der Lutheraner in der Pfalz und nahm Kontakte zu calvinischen Theologen auf. Nachdem er 1560 zum Calvinismus übergetreten war, ließ er bis 1565 alle lutherischen Pfarreien mit reformieren Pfarrern besetzen. Diese sehr rücksichtslos durchgeführte Bekenntnisumwandlung, die Friedrich III. die „Vollendung der Reformation“ nannte, brachte Nieder-Saulheim am 1564 nach Luthers Katechismus den Heidelberger Katechismus , obgleich die Ganerben sich widersetzten. Der Heidelberger Katechismus wurde auf Befehl Friedrich III. verfasst. An seiner Abfassung waren Zacharias Ursinus und Kaspar Olevianus beteiligt. Er ist eine weitverbreitete Bekenntnisschrift der Reformierten. In ihm wird beispielsweise, im Gegensatz zu Luthers Katechismus, das 3. Gebot (Bilderverbot) erwähnt. Weitere Unterschiede zwischen Reformierten und Lutheranern: Prädestinationslehre (Lehre von der Vorherbestimmung) und die Abendmahlslehre.
Mit dem Regierungsantritt Ludwigs VI. (1576-1583) wurden die reformieren Pfarrer wieder durch lutherische ersetzt. Viele Geistliche glichen sich aber den neuen Verhältnissen an und predigten fortan lutherisch, wodurch sie im Amt bleiben konnten. Bei den vielen Umwandlungen begann zunächst die Bevölkerung sich anzupassen, um durch die Angleichung an das Bekenntnis ihres Landesherren in ihrer Heimat bleiben zu können.
Schließlich passten sich auch Lehrer und Pfarrer an: Sie predigten bald lutherisch, bald reformiert, bald katholisch. Solche Flexibilität hat dazu beigetragen, dass sich eine gewisse Gleichgültigkeit in religiösen Angelegenheiten breit machte und Anpassung zu einem Wort mit negativer Bedeutung wurde.
Bei der oben genannten Nachreformation durch Ludwig VI. wurde auch Nieder-Saulheim 1577 lutherisch und erhielt 1578 einen neuen lutherischen Geistlichen. Hermann Köhler von Homburg a. d. Ohm ist der erste lutherische Pfarrer in Nieder-Saulheim, dessen Name überliefert ist.
Köhler hatte jedoch kaum Gelegenheit, sich hier einzuleben, Bereits 1579 wurde er Hauptleidtragende der ersten von den Ganerben durchgeführten Reformation, die dabei nicht gerade zimperlich vorgingen. Für Köhler war eine solche Absetzung jedoch nichts Neues: Er wurde in seiner Dienstzeit dreimal abgesetzt und legte einmal den Dienst von sich aus nieder.
Seinem Nachfolger, Johannes Pommersheim, sollte es in Nieder-Saulheim nicht besser gehen. Bereits 1579, also noch im Jahr seiner Einführung, wurde er von den Ganerben wieder abgesetzt. Unter einem neuen, lutherischen gesinnten Bürgermeister, hielt das lutherische Bekenntnis wieder seinen Einzug.
Neuer Pfarrer wurde Johannes zu Donauwörth, der jedoch nur bis 1580 blieb. Ihm folgte Adolarius Fabri auf die Pfarrstelle. Als 1583 Kurfürst Ludwig VI. starb, übernahm sein Bruder Johann Kasimir die Vormundschaft für dessen noch minderjährigen Sohn Friedrich IV. Von 1583-92 war er Administrator in der Pfalz. Sofort nach seinem Regierungsantritt führte auch er eine Reformation durch. Wieder einmal wurden alle lutherischen Pfarrer und Schulmeister abgesetzt und durch reformierte ersetzt. Nieder-Saulheim war von dieser Maßnahme nicht ausgenommen. Nächster Pfarrerwurde Reinhold Dilcke von Glogau. Da er 1584 noch in den Immatrikulationslisten der Universität Heidelberg zu finden ist, kam er erst 1589 nach Nieder-Saulheim.
Nach seinem Tod im Jahr 1595 fand die dritte Reformation seitens der Ganerben statt. Sie erreichten, dass der lutherische Pfarrer Sebastian Schmidtmann eingesetzt wurde. Nach dessen Tod im Jahr 1605 führte die Kurpfalz mit Waffengewalt den vom Heidelberger Kirchenrat mit der Versehung der Nieder-Saulheimer Pfarrstelle beauftragten Pfarrer Johannes Mascus ein.
Seine Ernennung durch die kurpfälzische Kirchenbehörde stellte zwar einen ungerechtfertigten Machtübergriff dar, angesichts des gewalttätigen Aufmarsches konnten die Ganerben und die Einwohner diese weitere Reformation jedoch nur ohnmächtig hinnehmen. Verwunderlich ist das kurpfälzische Vorgehen aber auch, weil Kurfürst Friedrich IV., seit seiner Volljährigkeit im Jahr 1592 an der Macht, die Einigung der protestantischen Kirche wünschte und sich auch in der Folgezeit dafür einsetzte. Noch im Vertrag von Alhausen aus dem Jahr 1608 war eine Union der Lutheraner und Reformierten vorgesehen. Folglich müssen mehr machtpolitische als kirchenpolitische Gründe bei der zwangsweisen Besetzung der Pfarrstelle durch J. Mascus eine Rolle gespielt haben.
1618 begann in Europa der 30jährige Krieg. Kurfürst Friedrich V. wurde als Haupt der protestantischen Union von den böhmischen Ständen 1619 zum König von Böhmen gewählt, verlor aber schon 1620 seine Krone. Gleichzeitig musste er die pfälzische Kur an Bayern abtreten. Die mit Bayern im katholischen Bündnis stehenden Spanier besetzten daraufhin die linksrheinische Pfalz. Sie begannen eine Restauration der katholischen Kirche, die durch Versuche , die Geistlichkeit auszuwechseln oder zumindest katholischen Priestern und Mönchen Unterkunft zu geben, betrieben wurde. Das geschah zunächst aber ohne großen Nachdruck, wie es sich am Beispiel Nieder-Saulheim belegen lässt.
Im Jahr 1621 gelang es noch den Nieder-Saulheimer Ganerben mit Unterstützung der spanischen Regierung für die Pfalz in Kreuznach den reformierten Pfarrer Daniel Siloesius absetzen zu lassen, der die Nachfolge von Matthäus Henricus angetreten hatte. Die Pfarrstelle wurde mit dem lutherischen Geistlichen Zacharias Stahelius besetzt. Weiterhin brachte man die Kreuznacher Regierung so weit, die seit 1606 bestehende reformierte Diakonstelle im Jahr 1622 mit Justus Wilhelm Nigrinus lutherisch zu besetzen.
Im selben Jahr fand in Nieder-Saulheim aber auch der erste Versuch einer Rekatholisierung statt. Das Heilig-Kreuz-Stift in Mainz, welches bis zur Einführung der Reformation als Patronatsherr das Recht hatte, den Pfarrer zu ernennen, setzte den katholischen Priester Reinhard Schwarz ein, der jedoch am Widerstand der Ganerben scheiterte. Schwarz wurde nach kurzer Zeit – wahrscheinlich noch im selben Jahr – entlassen.
Die entscheidende Wende in der Haltung der Spanier, vor allem der spanischen Infantin Isabella, beginnt im Jahr 1625. Dem Nuntius von Brüssel, Guido di Bagno, der für seinen Eifer bei der Restauration bekannt war, gelang es, ihr einen Bescheid bezüglich der Rekatholisierung der besetzten Gebiete abzuringen. Die protestantischen Prediger wurden von da an nicht mehr besoldet, um ihre Emigration zu bewirken. Nachdem im Februar dieser Befehl ergangen war, hielt sich das Restaurationsprogramm in der Pfalz bis Ende März 1625 immer noch in bescheidenen Grenzen.
Erfolge wären dem Kaiser Ferdinand II. sicher nicht unbekannt geblieben. Solche aus den vom bayerischen Kurfürsten Maximilian besetzten Gebieten waren ihm mitgeteilt worden. Um diese Erfolgsmeldungen, wenn nicht sogar eine gezielte Initiative Maximilians selbst, veranlassten den Kaiser, am 26. März 1625 bei der spanischen Infantin Isabella die Wiedereinführung des Katholizismus in der linksrheinischen Pfalz anzuregen. Kurfürst Maximilians Erfolge wurden hierbei als vorbildliche Beispiele aufgeführt. Daran knüpfte der Kaiser den Wunsch und seine Aufforderung zur Nachahmung.
Die spanische Regierung in Kreuznach ging mit dem Austausch der Geistlichkeit behutsam vor, um den Widerstand der Bevölkerung nicht unnötig zu erregen. In der Regel wurden nur freiwerdende Stellen umbesetzt. Da auch nur eine begrenzte Zahl geeigneter katholischer Priester zur Verfügung stand. In Nieder-Saulheim erfolgte der Pfarrerwechsel aber in ungewöhnlich scharfer Weise. Vom Heilig-Kreuz-Stift in Mainz forderte man einen katholischen Priester. Die Bitten der Bevölkerung um einen lutherischen Geistlichen wurden überhört. Bis Januar 1628 hatte die Regierung in Kreuznach das Heilig-Kreuz-Stift soweit, dass es einen Stiftsvikar präsentierte. Am 15. Januar 1628 wurde dem lutherischen Pfarrer Stahelius das Predigen verboten und tags darauf Wolfgang Sigler als Priester eingesetzt – trotz des heftigen Widerstandes der von den Ganerben interstützten Bürgerschaft. Damit war zum ersten Mal seit der Reformation in Nieder-Saulheim wieder das katholische Bekenntnis eingeführt worden. Bis 1630 war die katholische Gegenreformation so weit fortgeschritten, dass in keiner der ehemals kurpfälzischen, heute rheinhessischen Pfarreien protestantische Gottesdienste abgehalten wurde.
Im selben Jahr traten die Schweden unter ihrem König Gustav Adolf in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) ein. Sie kamen gerade rechtzeitig, um den fast völlig niedergeworfenen protestantischen Mächten gegen den Kaiser aufzuhelfen. Mit den Schweden kamen 1632 auch wieder das lutherische Bekenntnis nach Nieder-Saulheim. Zum Pfarrer wurde Sebastian Cuno ernannt, der schon 1627 Diakon in Wörrstadt war. Gustav Adolf hatte mit dem zurückgekehrten Kurfürsten Friedrich V. eine Vereinbarung getroffen, nach der erstmals Lutheraner, Reformierte und Katholiken nebeneinander die Freiheit der Religionsausübung zugestanden wurde. Hervorzuheben ist dieser friedliche Zustand zwischen den Konfessionen um so mehr, da er mitten im Dreißigjährigen Krieg bestand. Nach Ende der Schwedenherrschaft im Jahr 1635 setzte das alte Wechselspiel der Konfessionen in Rheinhessen wieder ein. Nieder-Saulheim , das nach dem Weggang Cunos von 1633 bis zum Ende des Krieges im Jahr 1648 von auswärtigen Pfarrern mitversorgt wurde, zuletzt vom Partenheimer Pfarrer Wigandi, blieb jedoch in dieser Zeit von Religionsstreitigkeiten unberührt. Wigandis Sohn übernahm 1649 die Pfarrei. Doch bereits im folgenden Jahr musste er um seine Stellung bangen. Kurfürst Karl Ludwig (1649-1680) musste den Katholiken und Lutheranern zwar die freie Religionsausübung gestatten, sine Fürsorge galt jedoch den Reformierten.
So war im September 1650 der Gau-Odernheimer Inspektor Roderus erschienen, um einen reformierten Pfarrer vorzustellen. Die Ganerben konnten sich jedoch erfolgreich widersetzen. In Georg Hermann Wigandis Amtszeit fiel der Ausbruch der Pest in Nieder-Saulheim, deren schreckliche Folgen man noch heute anhand seiner Eintragungen im Kirchenbuch verfolgen kann. Im Juni 1666 starben 6 Personen, im Juli 47, im August verloren sogar hundert Menschen ihr Leben. Pfarrer Wigandi selbst wurde am 19. August 1666, als die Zahl der Todesfälle schon zurückging, zu Grabe getragen. Von ca. 430 Einwohner war mehr als ein Drittel gestorben.
1667 wurde die Pfarrei Peter Pfautz übernommen. 1671erließ Kurpfalz wegen einer „Kontrovers-Predigt“ einen Haftbefehlt gegen Pfarrer Pfautz, der sich jedoch den kurpfälzischen Häschern entziehen konnte. Kurpfalz untersagte ihm daraufhin aber in der Kirche Gottesdienst zu feiern und führte reformierten Gottesdienst ein. Pfautz konnte sich noch scheinbar unbehelligt acht Jahre halten, da die Pfälzer aufgrund des beginnenden „Holländischen Krieges“ (1672-1679) ihn vorläufig nicht weiter beachteten. Er hielt den Gottesdienst für die ca. 200 Seelen starke lutherische Gemeinde zunächst im Pfarrhaus, später in einer Kapelle.
1679 wurde er schließlich mit Waffengewalt entfernt und der reformierte Pfarrer Johann Peter Böhmer ernannt, der ab 1682 die ca. 90 reformierten Gemeindeglieder betreute. Die Ganerben widersetzten sich zwar Böhmers Einsetzung, blieben aber ohne Erfolg. Kurpfalz bot ihnen an, einen eigenen lutherischen Pfarrer einzustellen. Dies lehnten sie jedoch ab, weil sie dadurch das kurpfälzische Vorgehen gebilligt hätten. Außerdem wäre die Bezahlung des Pfarrers zu Lasten der Ganerben gegangen.
Mit dem Tode Karl Ludwigs war die Simmersche Linie der pfälzischen Kurfürsten ausgestorben, der katholische Philipp Wilhelm wurde sein Nachfolger, Er erließ am 15. Oktober 1685 ein Religionspatent, in dem die Lutheraner den Reformierten gleichgestellt und im Jahr darauf auch die Katholiken einbezogen wurden. Dadurch wurden die Katholiken in ihrer Position wesentlich gestärkt, denn sie waren bis dahin nur geduldet und hatten eine besonderen Rechte.
So richtete die katholische Gemeinde ein Schreiben an den Kurfürsten Philipp Wilhelm, in dem sie das Recht auf Benutzung der Kirche und Einsetzung eines Priesters forderte. Das Schreiben hate Erfolg, wie sich bald zeigen sollte. Bereits Anfang März 1686 fand das erste Mal wieder katholischer Gottesdienst in Nieder-Saulheim statt. Dabei kam es aber zu einigem Aufruhr, als ca. 30 kurmainzische Untertanen aus Ober- und Nieder-Olm sich während des Gottesdienstes mit Prügeln auf dem Kirchhof sehen ließen. Eine Untersuchung des Rittergerichts Nieder-Saulheim vom 10. April des gleichen Jahres erklärt die Aufruhr als harmlose Neugier einiger junger Burschen. Wahrscheinlich erhofften sie sich eine handfeste Prügelei mit der protestantischen Dorfjugend, da dieser Gottesdienst in den Augen mancher lutherischer und reformierter Einwohner sicher eine Provokation bedeutete. Zu einem weiteren Zwischenfall kam es am 24. März des gleichen Jahres, als zwei katholische Einwohner eigenmächtig und unter Gewaltandrohung von dem protestantischen Pfarrer forderten, die Sakristei-Kammer zu öffnen und die darin stehenden Bilder wieder auf den Altar zu stellen. Dafür wurden beide von den Ganerben bestraft.
Die Rechtsmäßigkeit des Regierungsantrittes Philipp Wilhelms wurde vom französischen König Ludwig XIV. bestritten, da er nach dem Aussterben der Simmerschen Linie der Kurfürstenselbst Erbansprüche auf Kurpfalz erhob. Sein Bruder, der Herzog von Orléans, war mit Elisabeth Charlotte von der Pfalz, eine Tochter Karl Ludwigs, verheiratet. Der Pfälzische Erbfolgekrieg brach aus, Ludwig XIV. ließ die Pfalz besetzen und in weiten Teilen verwüsten. Da er auch bei seinen beiden vorausgegangenen Eroberungs-, oder besser Raubzügen (1667/68 und 1672-79)und bei den darauffolgenden gewaltsamen Gebietsaneignungen an der französischen Ostgrenze (1679-1681) es mit gültigen Rechtsverhältnissen nie sehr genau genommen hatte, wunderte es nicht, dass er auch das nicht zu Kurpfalz gehörende Nieder-Saulheim seinem Machtbereich einverleibte. Die Ganerben verloren allerdings nicht ihren Besitz, jedoch mussten sie Eingriffe der Franzosen in die bestehenden örtlichen Verhältnisse hinnehmen. So wurde 1688 angeordnet, dass der reformierte Pfarrer Böhmer mit dem Priester Balthasar Groß „sich vereinbaren soll, dass dieser und alle Katholiken freien Zutritt zur Kirche haben“. In einem späteren französischen Bericht heißt es, dass der Geistliche auf Befehl des Königs eingesetzt wurde. Nach den anfänglichen Bemühungen – zwei Jahre zuvor – hatte der katholische Glaube wieder Fuß gefasst. Der Einfluss der Franzosen auf Nieder-Saulheim wirkte sich negativ auf die Reformisten aus: Am 9. April 1689 wurde Pfarrer Böhmer mit seiner Absetzung gedroht. Er wurde aufgefordert nach Alzey zu kommen, um Rechenschaft abzulegen, ob er auch nach den vorgeschriebenen Verordnungen lebe. Über seinen Verbleib ist nichts bekannt, er taucht auch später nicht mehr als Pfarrer auf. Im Jahr 1697 wird lediglich berichtet, dass der reformierte Seelsorger entwichen sei. Böhmers Flucht war wohl das Beste, was er tun konnte, denn bereits seit dem 3. April, also sechs Tage vor seiner Vorladung nach Alzey, wurden die Eintragungen im Kirchenbuch schon von dem reformierten Pfarrer Ezechias Laurentius Rollius getätigt. Böhmers Absetzung war also zu diesem Zeitpunkt schon beschlossene Sache.
Die Zustände im Ort und die Lage der Bevölkerung zu dieser Zeit müssen katastrophal gewesen sein. Der Ganerbe Freiherr von Wallbrunn berichtet darüber in einem Brief vom 15. Juni 1691 an Maria Langwerth zu Simmern. Demnach war Nieder-Saulheim zu dieser Zeit noch französisch besetzt, die Häuser ruiniert und zerschlagen und die Ernte bereits vor der Einholung verdorben.
Im Dezember 1692 wird der Schultheiß vom Oberamt in Alzey verständigt, die noch fälligen Zahlungen an die französische Armee zu leisten. Da der Rückstand schon so groß sei, könne das Amt nicht mehr mit den Franzosen verhandeln, man müsse dies schon selbst tun. Der Schultheiß berichtet dem Freiherr von Wallbrunn, dass nur noch 15 Leute ein wenig besäßen, die anderen lauter Bettelleute wären.
Der weil bauten die Franzosen ihre Verwaltung im besetzten Gebiet aus. 1693 setzten sie einen Amtmann zur Ebernburg über die adeligen und ganerblichen Dörfer wie Nieder-Saulheim und Mommenheim.
In der Zwischenzeit hatte Pfarrer Rollius schon 1692 die Gemeinde verlassen. Ihm folgte der reformierte Pfarrer Abraham Theobald Gottschalk. Von 1694-97 ist er zwar als Inhaber der Pfarrstelle eingetragen, doch schon 1695 wurde er mit der Versehung der Pfarrei Dexheim beauftragt, weil er sich in Nieder-Saulheim nicht mehr aufhalten durfte. Gottschalk wurde leidtragender der letzten Reformation durch die Ganerben. Diese hatten sich 1695 darauf geeinigt, dass künftig ein lutherischer und ein katholischer Seelsorger im Ort sein sollten. Die Reformierten, die unter den Ganerben, von denen vermutlich vier katholisch und drei lutherisch waren, keine Fürsprecher hatten, blieben von der Benutzung der Kirche ausgeschlossen. Die Entstehung eines Simultanverhältnisses, d. h. die gemeinsame Nutzung einer Kirche von mehreren Konfessionen, ist in der Zeit der französischen Besetzung nichts Ungewöhnliches. In Rheinhessen entstanden allein zweiundfünfzig, von denen nach dem 2. Weltkrieg noch zwölf bestanden.
Am 25. Januar 1697, also noch vor Ende des Pfälzischen Erbfolge-Krieges im Oktober gleichen Jahres, legten die Ganerben die zwei Jahre zuvor gemachte Vereinbarung in einem Vertrag schriftlich nieder. Darin einigten sie sich, dass sämtliches Kirchengut und die kirchlichen Häuser zwischen den Katholiken und Lutheranern geteilt wurden, wobei die Katholiken das Pfarrhaus erhielten und der lutherische Pfarrer fortan im ehemaligen Kaplanhaus in der Pfarrgasse wohnte. Die Reformierten wurden ihres kirchlichen Besitzes enthoben, der in den Teil der katholischen Gemeinde fiel. Es wurde jedoch ausdrücklich vereinbart, dass man ihnen keinen „Zwang zumuten wolle, sondern jedem freistelle, wohin und zu welchem Regionsdienst er sich verfügen wolle“.
Weiterhin wurde auch das Schulgut, die damit verbunden Einkünfte und ei Lehrerwohnung in allem halbiert und jedem Schulmeister die Hälfte zugesprochen. Ebenso erhielten beide Gemeinden das Recht, die Glocken zum Gottesdienstgeläut zu benutzen. Schließlich wurde vereinbart, dass „die Pfarrer und Schulmeister sich gegenseitig keinen Verdruss oder Eingriff tun, sondern einander respektieren und fördern“. Überhaupt kam man überein, sich gegenseitig bei „zulässigen und billigen“ Sachen zu helfen und „je balder je lieber“ die Kirche zu renovieren.
Die Reformierten, die zwar ihren Glauben behalten konnten, aber fortan auswärts den Gottesdienst besuchen mussten, durften erst ab 1713 ihre Religion uneingeschränkt innerhalb des Dorfes wieder ausüben.
Von da an wurde ihre Gemeinde von dem reformierten Pfarrer Stadeckens, Abraham Theobald Gottschalk, versorgt, den die Ganerben noch 1695 vertreiben hatten. Unter ihm konnte sich die reformierte Gemeinde bereits 1714 eine alte Zehntscheune in der Pfarrgasse ankaufen und als Gottesdienstraum herrichten (sieh „Reformierte Kirche“).
Von 1717 bis 1734 bestand eine eigene reformierte Vikariatsstelle, die zuerst von Gottschalks Sohn Karl Konrad versehen wurde. Ab 1734 bis zur Union im Jahr 1822 gehörte die reformierte Gemeinde Nieder-Saulheim als Filiale zur Pfarrei Stadecken.
Nieder-Saulheim hat damit eine wohl einmalige, wechselhafte Reformationsgeschichte hinter sich. Insgesamt fanden 13 Reformationen statt:
§  um 1557 lutherisch
§  um 1564 reformiert durch Kurpfalz
§  um 1577 lutherisch durch Kurpfalz
§  1579 reformiert durch die Ganerben
§  1579 lutherisch durch die Ganerben
§  1584 reformiert durch Kurpfalz
§  1595 lutherisch durch die Ganerben
§  1606 reformiert durch Kurpfalz
§  1621 lutherisch durch die Ganerben
§  1628 katholisch durch die Spanier
§  1632 lutherisch durch die Schweden
§  1672 reformiert durch Kurpfalz
§  1695 lutherisch und katholisch durch die Ganerben
Die bei dem Vergleich vom 25. Januar 1697 zwischen Katholiken und en Lutheranern gemachten friedlichen Vereinbarungen, insbesondere die, wonach die Pfarrer sich genseitig fördern sollten, wurden jedoch nicht lange eingehalten. Die Chronik berichtet über viele Streitigkeiten. Insbesondere war strittig, ob die lutherische Gemeinde trotz der gemeinsamen Nutzung das Alleinbesitzrecht an der Kirche behalten hatte. Zur Zeit des 1710 vom Heilig-Kreuz-Stift eingesetzten Priesters Freysen erreichten die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt: 1712 verlegte er das auf Karfreitag gefallene Fest Mariä Verkündigung auf Ostermontag, klagte aber schließlich die lutherische Gemeinde beim pfälzischen Oberamt wegen Entheiligung des Festes (wohl durch das Läuten den Glocken) an. 1714 wurde der evangelisch-lutherische Nebenaltar in der Kirche, an dem der Pfarrstuhl (Kanzel) angebaut war, abgebrochen, der Pfarrstuhl zertreten und die Altartücher zerrissen.
Die anderen fünf Nebenaltäre, der hohe (Hoch-) Altar nebst dem ganzen Chor und der Sakristei wurden versperrt gehalten, obwohl die Lutherischen ein Mitbenutzungsrecht an Chor und Sakristei hatten. Trotz erhobener Anklage durch die lutherische Gemeinde kam es zu keiner Klärung durch den adeligen Bürgermeister und den kurmainzischen Regierungsrat von Ritter, vielmehr wurde beiden Parteien befohlen „bis zur ausgemachten Sache müßig zu gehen“.
Die Chronik berichtet weiter:
1716 sollte ein neues Pfarrhaus in der Pfarrgasse errichtet werden, da das alte, bei der Güterteilung 1697 den lutherischen zugewiesene frühere Kaplanhaus baufällig geworden war. Auf Befehl der Ganerben sollte es aus Einkünften der beiden Kirchen bezahlt werden. Der katholische Priester Freysen versuchte den Bau zu verhindern. Sein Bericht wurde von dem Bürgermeister von Dienheim jedoch als „grundfalsch“ befunden. Als daraufhin mit dem Bau fortgefahren wurde, ließ Priester Freysen den Zimmerleuten die Äxte wegnehmen.
Solche Streitigkeiten zwischen den Kirchengemeinden übertrugen sich auch auf die Gemeindeglieder. Bis zum Jahr 1720 hatte beispielweise die katholische Frau eines lutherischen Ehemannes ihre gemeinsamen beiden Söhne im Haus vor der Öffentlichkeit versteckt gehalten, um sie bei Gelegenheit an einen anderen Ort zu schicken, wo sie ungehindert im katholischen Glauben hätten erzogen werden können.
1739 wollten die Katholiken ein steinernes Kreuz an der Pertelpforte errichten, was durch die Ganerben Haxthausen und Wallbrunn von Partenheim verhindert wurde. Nachdem die Katholiken das Kreuz dennoch errichtet hatten, wurde es von den Evangelischen „abgerissen und ist auf dem Rech liegen geblieben“. Solche Streitigkeiten, wenn auch in gemäßigteren Formen, zogen sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hin.
 
 
 
 
 
 
 
Quelle: „Wo wir uns Versammeln“ von 1986
 
hrsg. von Gerd Keim und Dieter Stadler
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