Historischer Teil
Bereits 1515 hatte Kurfürst Ludwig von der Pfalz versucht, in das Nieder-Saulheimer Ganerbenverhältnis einzudringen. Gegen den Kauf der Güter des Friedrich von Hauben widersetzten sich die Ganerben jedoch mit dem Hinweis, dass nie ein Fürst an dem Ganerbenverhältnis beteiligt gewesen sei.
Jedoch stand Saulheim schon 1494 unter kurpfälzischer Schirmherrschaft, weshalb die Gemeinde jährlich 220 Malter Korn an Kurpfalz entrichten musste.
Rechte im Dorf hatte Kurpfalz hauptsächlich durch das Wildfangrecht, das sich über die Grenzen des Territoriums hinaus erstreckte, der genaue Geltungsbereich aber nur durch die allgemeine Formulierung festgelegt war. Bereits 1494 sind pfälzische Wildfänge in Nieder-Saulheim aufgeführt.
Weiterhin erhob Kurpfalz den Anspruch, dass alle zuziehenden Fremden in den nicht kurpfälzischen rheinhessischen Orten nach einem Jahr kurpfälzische Leibeigen wurden. Je nach Anzahl der Leibeigenen im Ort musste eine bestimmte Abgabe von der Gemeinde geleistet werden, in Nieder-Saulheim 22 Gulden und von jedem Weib ein Fastnachtshuhn.
Im Ort bestand auch eine kurpfälzische Zollstation. Bei der Ausübung der genannten Rechte kam es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Kurpfalz und der Ortschaft, so auch anlässlich einer Einquartierung in Nieder-Saulheim, wobei Schultheiß, adeliger und bürgerlicher Gerichtsschreiber nach Alzey abgeführt wurden. Bei dieser Anmaßung sei außerdem das Ansehen der Ganerben geschmälert worden, berichtet die Beschwerde der Ritterschaft. Solche Beschwerden der Oberrheinischen Ritterschaft bezüglich der vier rheinhessischen Ganerbschaften, die sich gegen Übergriffe kurpfälzischer Beamten richtete, häuften sich. Sie gipfelten darin, dass man seitens der kurpfälzischen Faute (Vogte), von den einer seinen Sitz in Nieder-Saulheim hatte, die ritterschaftlichen Rechte mehr zu beschneiden suchte, bis „nur noch der bloße Namen und Schatten übrig bleibe“.
Unter Kurfürst Karl Philipp wurden die Streitigkeiten in Verträgen vom 16. August 1717 und 17. Oktober 1729 zunächst beigelegt.
Kurpfalz trat der Ober- und Niederrheinischen Reichsritterschaft gegen eine jährliche Ablöse von 7.500 Gulden das Wildfangrecht ab. Außerdem durften die Mitglieder der Ritterschaft die Erzeugnisse ihrer Güter zollfrei durch alle kurpfälzischen Zollschranken führen.
Die formellen Zugeständnisse der Pfalz bewirkten jedoch noch keine anhaltende Veränderung der Verhältnisse. In den 1740er Jahren häuften sich wieder die Beschwerden. So wurde dem Schultheißen und dem Gericht in Nieder-Saulheim alle Vollmacht entzogen, und der Landschreiber in Alzey gab dem kurpfälzischen Faut den Auftrag, in verschiedenen Streitfragen zu richten und die Schatzung – eine Art Vermögens- und Besitzsteuer – einzutreiben, obwohl die vor 1628 freiadelig gewesenen Güter laut den Verträgen von 1717 und 1729 davon befreit waren.
Seit Oktober 1745 weigerten sich die Einwohner Nieder-Saulheims und anderer Orte, die ritterschaftlichen Abgaben zu bezahlen, da si zusätzlich Geldleistungen an Kurpfalz zahlen mussten.
Als man schließlich bei Kaiser Karl VII. vorstellig wurde, ließ dieser erklären, dass die kurpfälzischen Oberämter sich rechtswidrig verhielten. Er untersagte „alle Handlungen, wodurch die klagende Ritterschaft in ihrer Possession (Besitz) etc. hart gedrucket und gekränket und turbieret worden seien“.
Mit den 1717 auf die Reichsritterschaft übergegangenen Rechten verbanden die Nieder-Saulheimer Handwerker das Recht auf freie Errichtung einer eigene Zunft, zumal Nieder-Saulheim nach den Akten selbst alter Zunftort war. Mit Unterstützung der Ganerben wurde die Aufrichtung der Zünfte beantragt. Am 21. August 1719 beschloss der Ritterkonvent, die Zünfte zu „etablieren und mit gehöriger Ordnung zu versehen“ und „als Niederlag und Zunftstub“ der von Kurpfalz abgetretenen Orte Nieder-Saulheim zu bestimmen.
Nicht alle ritterschaftlichen Mitglieder schlossen sich mit ihren Orten dem Vorschlag an, da das kurpfälzische Oberamt in Alzey sehr vielen Handwerkern die Arbeit in kurpfälzischem Gebiet verbieten wollte, falls sie sich den Nieder-Saulheimer Zünften anschlössen. Wegen der zum Teil großen Entfernungen zum Zunftort, beschloss die Ritterschaft, zwei Zunftorte zu ernennen. Als zweiter Zunftort standen Herrnheim und Abenheim zur Debatte. Zur Zunft -Nieder-Saulheim sollten gehören: Partenheim, Vendersheim, Badenheim, Udenheim, Köngernheim, Lörzweiler, Gauersheim, Bermersheim, Fürfeld, Steinbach, Bürstadt, St. Alban, Gorbach, Altenbamberg, Ippesheim, Mannweiler, Hahnheim, Friesenheim, Rudelsheim (Ludwigshöhe), Planig, Sörgenloch, Schornsheim und Bechtolsheim.
Bis 1750 waren aus den ursprünglich zwei Zunftorten drei geworden: Gauersheim, Fürfeld und Nieder-Saulheim, dessen Zunft aus folgenden Orten bestand: Udenheim, Schornsheim, Bechtolsheim, Friesenheim, Köngernheim, Rudelsheim, Partenheim, Vendersheim, Mommenheim, Hahnheim und Lörzweiler. Aus den vielen Beschwerden der Nieder-Saulheimer Zünfte aus den Jahren 1740-1760 wegen Verstößen gegen die Ordnung lässt sich ersehen, welche Handwerkssparten hier vertreten waren: Maurer und Zimmerleute, Schneider, Schuhmacher, Müller, Schreiner und Glaser, Bäcker und Leinweber. Sattler und Wagner waren nicht in Zünften organisiert.
Quelle: „Wo wir uns Versammeln“ von 1986
hrsg. von Gerd Keim und Dieter Stadler